Der Spiegel schürt die Angst vor der Legalisierung
Jahrelang hat Der Spiegel die liberale Politik in den Niederlanden als leuchtendes Beispiel für Deutschland hervorgehoben. Plötzlich wendet sich das Blatt.
Düsseldorf / Kriminalität — Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Ausgabe in der Titelgeschichte unter der plakativen Überschrift “Käse, Koks und Killer” über Drogenkriminalität in den Niederlanden. Die These: Jahrzehntelange laxe Drogenpolitik, vor allem im Umgang mit Cannabis-Konsum, und Toleranz gegenüber anderen Kulturen hätten dazu geführt, dass das Land zum Drogenumschlagplatz Nummer Eins in Europa wurde. Was jetzt wiederum bedeutet, dass Kokain-Banden aus Marokko Angst und Schrecken verbreiten und sich Journalisten, Richter und Anwälte des Lebens nicht mehr sicher sein können. Oder jeder, der zufällig in die Bahn einer Kugel oder des Schrapnells einer Autobombe gerät.
Das mag so alles stimmen, journalistisch ist es allerdings nicht überzeugend vorgetragen. Nahe am Niveau des Boulevards schreibt das Leitmedium hier frei heraus über Dinge, die nirgends im Text belegt sind. Fakten, interpretationsbedürftige Daten und reine Mutmaßungen werden munter vermengt, bis eine diffuse Gemengelage entsteht, die beim Leser wohl einfach Angst auslösen soll. Und passenderweise findet sich am Ende des Artikels ein Kasten, der das Ganze schön auf die hierzulande gerade im Zuge aktueller politischer Konstellationen sehr munter diskutierten Legalisierung von Gras zuspitzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Das Ganze wäre ja auch nicht so unglaublich dumm-dreist, wäre es nicht der sich sonst so tolerant und progressiv gebende Spiegel gewesen, der seit Jahrzehnten immer wieder die liberale Drogenpolitik in Ländern wie den Niederlanden und Portugal als Vorbild für Deutschland in den Himmel gelobt hat. Drogenabhängige als Kranke und nicht als Kriminelle behandeln, schien die Empfehlung für unsere Gesellschaft zu lauten. Und sowieso sind die Niederlande laut vieler meiner Kollegen (auch und gerade beim Spiegel) doch immer Vorbild für alles, was wir in Deutschland besser machen können.
Und kaum wird so eine Änderung nach niederländischem Vorbild hierzulande in der Politik diskutiert, schwenkt das Blatt um und macht so eine Titelgeschichte. Da kann man wahrlich nur zu dem Schluss kommen, dass man im schicken Verlagsgebäude an der Ericusspitze eben doch nicht das schreibt, was ist, sondern das, was Emotionen bei Leuten auslöst und sie zu Digitalabonnenten macht. Und leider funktioniert das am besten, wenn man Menschen Angst macht. Ob die nun berechtigt ist, oder nicht. 🌱