Drogendealer-Prozess: Richter wartet auf Legalisierungsentscheidung aus Berlin
In der Folgeverhandlung eines aktuellen Prozesses um Cannabis-Besitz und -Handel tritt der Richter auf die Bremse. Grund sind etwaig anstehende politische Entscheidungen; sprich: das kommende CanG.
Düsseldorf / Kriminalität — Im Prozess um einen Neusser Angeklagten vor dem Landgericht Düsseldorf, der im Juni 2020 bis zu zwei Kilogramm Cannabis gekauft, und zum Teil auch weiterverkauft, haben soll, gab es heute eine überraschende Wendung. Nachdem der Angeklagte beim heutigen zweiten Verhandlungstermin mit einem zweiten Anwalt aufgetaucht war, hatte er eine lange Erklärung verlesen, in denen er alle von der Staatsanwaltschaft eingeräumte Straftaten zugab. Das heißt sowohl den Kauf der zwei Kilo über EncroChat, die zwei Cannabis-Bestellungen in Spanien als auch den etwaigen Handel mit Gras aus diesen Käufen.
Der Angeklagte verlas zunächst eine Entschuldigung an die 11. große Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts, in der er sich für seine “Lügen während der ersten Verhandlung” entschuldigte und sich als geläuterter Mensch präsentierte, der seit der Durchsuchung im Haus seiner Eltern — bei der 141 g Marihuana bei ihm gefunden worden waren — versuche, sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Zwar las er die gesamte Erklärung Wort für Wort ab, wurde aber gegen Ende sichtlich emotional, bis ihm schließlich die Tränen kamen.
Am Anfang des Termins hatte der neu hinzugekommene Verteidiger aus Duisburg sich an den vorsitzenden Richter gewandt und versucht, die Chancen dafür auszuloten, das Strafmaß für den Angeklagten auf eine Bewährungsstrafe herunterzuhandeln, wenn sich dieser geständig zeige. Der Richter schätzte die Chancen als “eher gering” ein. Als daraufhin die Staatsanwältin sagte, ihr schwebe ein Strafmaß von drei Jahren vor1, verlor der Angeklagte zum ersten Mal in dem Verfahren die Kontrolle über seine Gesichtszüge und wirkte sichtlich geschockt. Nach einer Verhandlungspause und einer Besprechung mit seinen Anwälten las er dann die offensichtlich vor dem Termin vorbereitete Erklärung vor.
Der Richter tritt auf die Bremse
Die Verteidiger zeigten sich bemüht, nach der Verlesung des umfassenden Geständnisses den Prozess möglichst schnell zu beenden. Die Frage stand im Raum, ob man das Verfahren nicht schon mit dem heutigen Termin abschließen könne. Der Vorsitzende der Strafkammer schlug allerdings eine ganz andere Richtung ein. Er machte klar, dass er das Verfahren — auch nach dem plötzlichen Geständnis — erst einmal verlangsamen wolle und verschob weitere Verhandlungstermine bis ins nächste Jahr hinein. Ein heute gesprochenes Urteil wäre auf Grund der aktuellen politischen Situation wohl “schnell veraltet”, gab er zu bedenken. Damit sei niemandem gedient. Der Richter erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die von der Bundesregierung Ende letzter Woche vertagte Entscheidung zur Legalisierung.
Obwohl bei dem Gesetz jetzt eigentlich die Fraktionen am Zug sind, hält bei dem Vorhaben offenbar weiterhin das BMG die Fäden in der Hand. Aus Ampelkreisen wird berichtet, Karl Lauterbachs Fachebene müsse diverse Änderungswünsche aus den Fraktionen in das Gesetz schreiben, komme damit aber nicht hinterher bzw. trage viele der Änderungspunkte auch nicht mit.
Vor allem FDP und Grüne pochen auf großzügige Änderungen des Gesetzes, in erster Linie zugunsten von Konsumenten. Dass deren Kriminalisierung jetzt mindestens bis März 2024 weitergeht, spielt die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion in einem Statement gegenüber LTO herunter
Diese Kriminalisierung spielt natürlich auch im Prozess in Düsseldorf eine Rolle. Der vorsitzende Richter will also anscheinend — falls das möglich ist — eine Entscheidung der Bundesregierung zum neuen Cannabisgesetz (CanG) und damit zu erwartende Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) abwarten, bevor das Gericht entscheidet. Die Staatsanwältin schien das zu begrüßen. Diesem Vorgehen dürfte § 2, Absatz 3, StGB zu Grunde liegen:
Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
Der Prozess ist auf einmal politisch interessant
Der Prozess bleibt also weiter spannend, wenn auch nicht wegen der Ermittlungstaktiken der Strafverfolgungsbehörden und deren Anwendbarkeit im Verfahren. Fragen dazu haben sich mit dem Geständnis des Angeklagten für den vorliegenden Fall erledigt. Stattdessen wird der Fall nun politisch mit Hinblick auf die Frage interessant, wie die Gerichte mit laufenden Verfahren wegen Cannabis-Besitz und -Handel im Zuge der im Raume stehenden Legalisierung umgehen.
Wir werden weiter berichten.🌱