Richter und Staatsanwältin lassen Gnade walten
Man wollte wohl doch nicht auf eine politische Entscheidung über die Legalisierung warten: In Düsseldorf wurde ein Drogenhändler deswegen nun doch zügig verurteilt. Allerdings mit Glück beim Strafmaß.
Düsseldorf / Kriminalität — Im Verfahren gegen einen Neusser Drogendealer, dem der Handel und die Einfuhr von Cannabis in nicht geringfügigen Mengen zur Last gelegt wird — wir berichteten — sah es beim zweiten Termin so aus, als wären sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig, den Prozess so lange wie möglich aufzuschieben und eine Entscheidung der Bundesregierung zur Legalisierung abzuwarten. Das war am Montag, beim dritten Sitzungstermin, allerdings wieder vom Tisch.
Vielleicht auch, weil die Umsetzung des Legalisierungsvorhabens der Bundesregierung mittlerweile ernsthaft in Frage steht. Juristen zweifeln vermehrt daran, dass die aktuellen Pläne überhaupt ohne rechtliche Probleme umzusetzen sind. Einige, darunter auch Richter, halten das Gesetz sowieso für keine gute Idee. Das Land Bayern will die Legalisierung ausbremsen oder, wenn möglich, gar ganz stoppen. Und auch die Regierung selbst peilt nun eine Umsetzung frühestens am 1. April 2024 an — wenn sich das nicht mal als perfider Scherz herausstellt…
Angesichts solcher Unwägbarkeiten scheint sich die 11. große Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts entschieden zu haben, den vorliegenden Prozess um den Drogenhändler aus Neuss dann doch so schnell wie möglich abzuschließen. Und so kam es dann auch zu einem unerwartet schnellen Urteil in dem Fall.
Die Staatsanwaltschaft sorgt für eine Überraschung
Nach dem Abschluss der Beweisaufnahme ergriff die Vertreterin der Staatsanwaltschaft das Wort und forderte eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren. Diese großzügig zusammengefasste Gesamt-Freiheitsstrafe bestand im Einzelnen aus einem Jahr und sechs Monaten für die über EncroChat gekauften 2 kg Marihuana, einem Jahr für die im Zimmer des Angeklagten gefundenen 140 g sowie jeweils einem Jahr für die beiden Fälle der postalischen Cannabis-Bestellungen aus Spanien. Daraufhin überraschte die Staatsanwältin dann wohl alle Beteiligten, indem sie vorschlug, diese Strafe auf Bewährung auszusetzen.
Der Duisburger Verteidiger, der den noch am ersten Prozesstag federführenden Zwangsverteidiger des Angeklagten abgelöst hatte, zeigte sich davon äußerst überrascht. Er betonte mehrmals, ein fünfseitiges Schlussplädoyer vorbereitet zu haben, um das Gericht doch noch davon zu überzeugen, die Strafe seines Mandanten auf Bewährung auszusetzen. Dieser Vortrag war mit der Forderung der Staatsanwaltschaft dann natürlich hinfällig. Am Ende verlas der Angeklagte dann noch einmal eine Erklärung, in der er sich noch einmal ausdrücklich beim Gericht für sein Verhalten am ersten Prozesstag entschuldigte.
Mildes Urteil
Als der vorsitzende Richter schließlich nach einer kurzen Beratungspause der Kammer das Urteil verlas — zwei Jahre auf Bewährung — kamen dem Angeklagten die Tränen. Bevor der Richter die abschließende Sitzung des Verfahrens allerdings beendete, wendete er sich noch einmal mit strengen Worten an den Angeklagten. Der erste Prozesstag sei “total in die Hose gegangen”. Eigentlich sei er bei Verhandlungen immer sehr ruhig, aber die Behauptungen des Angeklagten in dieser Sitzung hätten ihn schon etwas wütend gemacht. In bester rheinländischer Tradition wurde er dann auch noch deutlicher: “Von Angeklagten verarschen lassen kann ich mich hier nicht.” Worauf sich der Verteidiger bemühte zu betonen, dass die Strategie des ersten Prozesstages alleine auf dem, nun auch deswegen abgelösten, Strafverteidiger beruhte.
“Von Angeklagten verarschen lassen kann ich mich hier nicht.”
Bei sieben Vorstrafen — allerdings keinen allzu gravierenden — ist der Angeklagte angesichts der Cannabis-Menge, die bei diesem Prozess im Raum stand, wohl noch einmal glimpflich davon gekommen. Da schienen sich alle Prozessbeteiligten einig zu sein. Das Gericht rechnete dem Angeklagten vor allem seine (wenn auch erst ziemlich unwillige) Ehrlichkeit an und nahm ihm wohl auch ab, von nun an mit seiner Freundin und Tochter ein unbescholtenes Familienleben wahrnehmen zu wollen. Auch dafür, dass er sich seit dem letzten Gerichtstermin um Therapie-Termine in einer Drogenberatungsstelle bemüht hatte, gab es, so das Gericht, Bonuspunkte. Eine der Bewährungsauflagen ist, neben Straffreiheit, Abstinenz im Bezug auf illegale Drogen, die durch regelmäßige Untersuchungen belegt werden muss.
Interessanterweise zeigten sich sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft im Nachhinein überrascht darüber, dass dieser Prozess überhaupt vor einer großen Strafkammer des Landgerichts verhandelt wurde. Man vermutete, dass sei der Fall gewesen, weil in dem Verfahren Beweise aus den EncroChat-Ermittlungen benutzt wurden, deren Zulässigkeit in deutschen Strafverfahren nach wie vor umstritten ist.
Vor allem aber macht die Wendung im letzten Prozesstag zu einem schnellen Urteil hin, allerdings deutlich, dass erst einmal bei der Verfolgung von Cannabis-Delikten alles beim Alten bleibt. Jedenfalls was Staatsanwaltschaft und Gerichte angeht. 🌱